Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung / Schadensersatz wegen Lieferung nicht gesetzeskonformer FFP2-Masken
Beispielsfall:
Das in Deutschland ansässige Unternehmen B hat Masken bei chinesischen Produzenten eingekauft und deren Verpackungen mit ihrer Handelsmarke und Firmenanschrift versehen. Obwohl B kein EU-Baumusterprüfbescheid einer in der EU ansässigen benannten Stelle gemäß Verordnung (EU) 2016/425 für persönliche Schutzausrüstung (nachfolgend PSA-Verordnung genannt) und B für die Masken auch selbst kein Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt hat, stellt B für die FFP2-Masken eine EU-Konformitätserklärung aus und versieht die Verpackungen der Masken mit einer CE-Kennzeichnung. Auf Nachfrage eines Kaufinteressenten K übersendet B diesem Bilder der Masken samt Verpackung und CE-Kennzeichnung sowie die von ihr ausgestellt EU-Konformitätserklärung.
K vertraut den Angaben von B und kauft auf Grund der erfolgten Zusicherungen von B die „FFP2-Masken“. Ohne CE-Kennzeichnung und EU-Konformitätserklärung hätte K die Masken nicht von B gekauft und auch nicht abgenommen.
In der Folge stellt K – in den allermeisten Fällen wegen Hinweisen der eingeschalteten Marktaufsichtsbehörden – fest, dass die von B gekauften Masken und deren Verpackung tatsächlich zu Unrecht mit dem CE-Kennzeichen versehen wurden, u. a. weil B kein EU-Baumusterprüfbescheid vorliegt, was B ihr zusammen mit der Nichteinhaltung der Vorgaben der PSA-Verordnung verschwiegen hatte. Weiter stellt K fest, dass B aus selbigem Grund zu Unrecht eine EU-Konformitätserklärung für die Masken ausgestellt hat.
Aktuelle Situation:
So oder so ähnlich sind hunderte wenn nicht sogar tausende Fälle aus 2020 gelagert. Diese werden die Gerichte in den nächsten Jahren in großem Umfang beschäftigen. Art und Umfang der Verfahren aber insbesondere auch die Begründung der Rückzahlungsansprüche entspricht den vor den Oberlandesgerichten und dem BGH entschiedenen unzähligen Verfahren zum Dieselabgasskandal.
Begründetheit der Ansprüche:
K beansprucht von B die Rückzahlung des von ihr für die gegenständlichen Masken an die Beklagten geleisteten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Masken.
Die Lieferung nicht PSA-verordnungskonformer Masken begründet, wie bereit an anderer Stelle dargelegt, einen Mangel solcher als „FFP2“, „Atemschutzmasken“ oder sonst wie CE-gekennzeichneten Masken. Infolge des Verstoßes gegen die PSA-Verordnung sind die Masken nicht verkehrsfähig; sie können von K als Zwischenhändler nicht weiterverkauft werden, sind für diesen Zweck nicht geeignet und daher mangelhaft. Ausreichend für die Annahme der Mangelhaftigkeit ist bereits der Gefahrenverdacht einer fehlenden Verkaufsfähigkeit (st. BGH-Rspr.)
B hat K im Beispielsfall nicht nur mangelhafte Masken geliefert. B hat vielmehr K bewusst in verwerflicher Gesinnung durch die Zusendung der unrichtigen EU-Konformitätserklärung sowie Bildern mit der CE-Kennzeichnung und der vierstelligen Kennung für eine benannte Stelle im Sinne der PSA-Verordnung über die Einhaltung der Vorgaben der PSA-Verordnung (EU) 2016/425 getäuscht, um K zum Kauf dieser Masken zu bewegen, da B zu Recht davon ausgegangen war, dass K die Masken ohne diese Zusicherungen bei ihr nicht gekauft hätte.
K erklärt den Rücktritt vom Vertrag, ergänzend vorsorglich die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und beansprucht Rückzahlung des von ihr geleisteten Kaufpreises für die Masken.
K macht hierzu Ansprüche aus §§ 437 Nr. 2, 433 Sa. 1, 434 Abs. 1, 323, 346 Abs. 1 BGB aber auch noch §§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 142, 123 und § 134 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 4 PSA-Verordnung (EU) 2016/425 und § 263 StGB sowie § 826 BGB geltend.
Da B die K über die Erfüllung der Vorgaben der PSA-Verordnung (EU) 2016/425 vor Abschluss der Kaufverträge und Lieferung arglistig getäuscht hat, kann sich diese gegenüber der K bezogen auf den Rücktritt nach dem Gewährleistungsrecht zudem nicht auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge nach § 377 Abs. 2 HGB berufen.
Abgesehen davon handelt es sich bei der nicht erfolgten Konformitätsbewertung der Beklagten sowie dem Fehlen eines EU-Baumusterprüfbescheides und dem sich daraus nach Art. 4 PSA-Verordnung (EU) 2016/425 ergebenden Bereitstellungs- und Vertriebsverbot der zu Unrecht als „FFP2-Atemschutzmasken“ CE-gekennzeichneten Masken auch schon gar nicht um einen für K erkennbaren Mangel.
Fazit:
Da in den „Maskenfällen“ – anders als beim Dieselabgasskandal – die Verkäufer der Masken vielfach nicht bloß Händler, sondern zugleich Hersteller der Masken sind, die in Täuschungsabsicht unrichtige EU-Konformitätserklärungen ausgestellt haben, stehen der Begründetheit und Stattgabe der Zahlungsklagen weniger Hürden bzw. Einwände entgegen.
Gleichwohl sind derartige Fälle kein Selbstläufer. Vielmehr bedarf es für eine erfolgreiche gerichtliche Durchsetzung solcher Ansprüche neben der rechtlichen Expertise im Produkthaftungs- und Produktsicherheitsrecht insbesondere auch einschlägiger Kenntnisse und Erfahrungen im Zivilprozessrecht.
Es bleibt abzuwarten, wann in diesen Fragen erst erstinstanzliche Urteile vorliegen. Die zu erwartenden Urteile werden die Rechtsprechung und Rechtlage in Fällen der Haftung bei der verkäuferseitigen Verletzung des Produktsicherheitsrecht weiter entscheidend prägen.
Stuttgart, den 09.03.2021
Dominik Görtz
Rechtsanwalt
Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth)
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Görtz Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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