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26. Februar 2021 - erstellt von Dominik Görtz
Post-Brexit-Produktkennzeichnung in Großbritannien und der EU

Seit dem 1.1.2021 gehört das Vereinigte Königreich nicht mehr dem EU-Binnenmarkt an. Für zahlreiche Produkte gibt es künftig neue Vorschriften und Vorgaben bezüglich der Zulassungsverfahren und der Produktkennzeichnung. Für die Umsetzung der neuen Bestimmungen gelten Übergangsfristen.

Exporte in das Vereinigte Königreich

Produkte, die aus der Europäischen Union (nachfolgend: EU) in das Vereinigte Königreich ausgeführt werden, müssen künftig den dort geltenden Vorschriften und Normen entsprechen und unterliegen den einschlägigen regulatorischen Einfuhrverfahren.
Hersteller und Händler, die bisher in Großbritannien (England, Wales und Schottland) Waren aus der EU vertrieben haben, werden nach dem Austrittsdatum als Importeur behandelt. Der Importeur trägt die Verantwortung hinsichtlich der Anforderungen an die Konformität, Sicherheit, Verpackung und Etikettierung der in Verkehr gebrachten Produkte. Sie sind also verpflichtet, zu überprüfen, ob die Produkte die einschlägigen Bewertungsprozesse durchlaufen haben, mit den erforderlichen Kennzeichen versehen sind, ob die ggf. erforderliche technische Dokumentation vorliegt und ob die Waren den maßgeblichen (Sicherheits-) Anforderungen genügen. Die Dokumentation der Konformitätsbewertungen sind 10 Jahre aufzubewahren.
Unternehmen, die ihren Sitz nicht im Vereinigten Königreich haben, müssen einen inländischen Bevollmächtigten bestellen und sicherstellen, dass die Produkte mit dem Firmennamen und einer nationalen Kontaktadresse versehen sind. Diesbezüglich gilt eine Übergangsfrist bis zum Jahresende 2022, wonach diese Informationen noch nicht auf dem Produkt angebracht werden müssen, sondern auch in einem Begleitdokument enthalten sein können.

Importe aus dem Vereinigten Königreich

Waren aus dem Vereinigten Königreich müssen fortan die jeweiligen europäischen bzw. nationalen Anforderungen desjenigen EU-Mitgliedstaates erfüllen, in das diese eingeführt werden. Auch in Bezug auf Produktsicherheit und Produkthaftung gilt umgekehrt, dass Großbritannien nun als Drittstaat anzusehen ist und insoweit den Unternehmen die produktrechtliche Verantwortlichkeit auferlegt wird. Hierzu zählt auch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) bei Exporten nach Deutschland.
Mit dem Brexit verlieren britische Prüfinstitute den sog. Status als „Benannte Stelle“ und können künftig aufgrund dessen keine in der EU gültigen Konformitätsbewertungen mehr vornehmen oder EU-Baumusterprüfbescheide ausstellen. Britische Konformitätserklärungen verlieren die Gültigkeit in der EU. Betroffene Produkte dürfen in der EU dann nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Damit wird eine Re-Zertifizierung der betroffenen Produkte erforderlich werden. Es besteht die Möglichkeit ein bestehendes Zertifikat in einen anderen EU-Mitgliedsstaat übertragen zu lassen.

UKCA-Label ersetzt CE-Kennzeichnung

Mit dem CE-Zeichen wird nachgewiesen, dass die betroffenen Produkte die durch die EU festgelegten Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsanforderungen erfüllen.
Durch das Konformitätsbewertungsverfahren weist ein Hersteller nach, dass die in den einschlägigen EU-Richtlinien festgelegten Sicherheitsanforderungen eingehalten werden. Die Konformitätsbewertung erfolgt durch die „Benannten Stellen“ (auch: „Notified Bodies“). Diese Prüfstellen müssen ihren Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat haben. Basierend auf diesem Zertifikat der Prüfstelle stellt der Hersteller dann eine EU-Konformitätserklärung aus. Anschließend darf der Hersteller die CE-Kennzeichnung auf dem Produkt anbringen und in der EU vertreiben.
Kennzeichnungspflichtige Waren, die in Großbritannien zum 1.1.2021 eingeführt und in Verkehr gebracht werden, müssen nun künftig das Label „UKCA“ (United Kingdom Conformity Assessed) versehen werden.
Das neue britische Label ersetzt das CE-Kennzeichen. An den technischen Produktanforderungen, sowie dem Verfahren ändert sich allerdings zunächst nichts. Die europäischen Normen und Richtlinien werden in „UK designated standards“ umgewandelt.

Das CE-Kennzeichen der EU wird darüber hinaus während einer Übergangsfrist weiter anerkannt. Voraussetzung für die Anwendung ist, dass die britischen und die EU-Produktvorschriften in Bezug auf das Schutzniveau identisch sind. Für eine Marktzulassung in Großbritannien wird nach einer Übergangsfrist ab dem 1.1.2022 dann nur noch das UKCA-Label akzeptiert.
Das Vereinigte Königreich beabsichtigt, die bisher in der EU zugelassenen Prüfstellen sog. „Benannte Stellen“ mit Sitz in Großbritannien als neue „UK Approved Bodies“ anzuerkennen. Diese werden künftig Konformitätsbewertungen auf dem britischen Markt vornehmen.
Zeitpunkt der Konformitätsbewertung

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Konformität eines Produktes ist die erstmalige Bereitstellung auf dem Markt bzw. das Inverkehrbringen. Darunter fällt jede – entgeltliche oder unentgeltliche – Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung.
Produkte die vor dem 1.1.2021 im Einklang mit den bisherigen europäischen Regelungen in Verkehr gebracht wurden, müssen nicht mehr nachträglich verändert werden und sind auch ohne das UKCA-Label weiterhin verkehrsfähig. Bereits produzierte und mit der CE-Kennzeichnung in Verkehr gebrachte Ware ist von den Änderungen also nicht betroffen.

Produkte die unter die UKCA-Kennzeichnung fallen:
• Spielzeugsicherheit
• Sportboote und Wassermotorräder
• Einfache Druckbehälter
• Elektromagnetische Verträglichkeit
• Nicht automatische Waagen
• Messgeräte
• Aufzüge
• ATEX: Geräte und Schutzsysteme in explosionsgefährdeten Bereichen
• Funkgeräte
• Persönliche Schutzausrüstung
• Gasgeräte
• Maschinen
• Außengeräusche
• Öko-Design
• Aerosole
• Elektrische Niederspannungsausrüstung
• Beschränkung gefährlicher Stoffe

Produkte die unter die UKCA-Kennzeichnung mit gesonderten Richtlinien fallen:
• Medizinische Geräte
• Interoperabilität im Schienenverkehr
• Bauprodukte
• Zivile Sprengstoffe

Gesonderte Regelungen gelten auch für Medizinprodukte, Chemikalien und Lebensmittel.

Nach den Richtlinien der britischen Regierung können Produkte, die sowohl den gesetzlichen Vorgaben der EU als auch den UK-Regelungen entsprechen, mit dem CE-Kennzeichen als auch mit dem UKCA-Label versehen werden.
Sonderfall Medizinprodukte

Die CE-Kennzeichnung kann bei Medizinprodukten bis 30.6.2023 verwendet werden. Voraussetzung ist, dass die Produkte den zurzeit geltenden EU-Vorschriften entsprechen. Allerdings kann bis zum Ablauf der Übergangsfrist auch die UKCA-Kennzeichnung bereits freiwillig verwendet werden.

Alle bisherigen einschlägigen EU-Richtlinien wurden in britisches Recht übernommen und behalten ihre Gültigkeit. Die „Medical Device Regulations 2002“ (UK MDR 2002) setzt die EU-Richtlinie 90/385/EWG (Aktive implantierte Medizinprodukte), 93/42/EWG (Sonstige Medizinprodukte) sowie 98/79/EG (In-Vitro-Diagnostika) in nationales Recht um.
Änderungen bestehender EU-Vorschriften, die 2021 bzw. 2022 in Kraft treten, werden nicht übernommen.

Trägt ein Produkt eine CE-Kennzeichnung müssen jedoch zwingend noch Name bzw. Firma und Adresse eines im Vereinigten Königreich ansässigen Bevollmächtigten angebracht werden. Diese Vorgabe gilt während der Übergangsfrist ab dem 1.1.2021 bis zum 30.6.2023. Ab 1.1.2021 müssen alle Medizinprodukte bei der zuständigen Behörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) registriert werden.

UK-eigenes REACH-System

Seit dem 1.1.2021 gilt auch die REACH-Verordnung im Vereinigten Königreich durch den Brexit nicht mehr. Es ist geplant, das EU-REACH-System durch ein eigenes nationales REACH-System zu ersetzen. Die bestehenden EU-Vorschriften werden übernommen und als nationales Recht beibehalten und mit Übergangsregelungen und Übergangsfristen ergänzt.

Abweichend hierzu sieht UK REACH eine Besitzstandsklausel („Grandfathering“) vor. Bereits bestehende Registrierungen britischer Unternehmen können demnach überführt werden. Voraussetzung ist die Bereitstellung diverser Basisinformationen bis zum 30.4.2021 an die zuständige britische Behörde HSE (Health and Safety Executive). Die Übermittlung erfolgt über das IT-System „Comply with UK REACH“.
Anschließend kann die Registrierung mit weiteren Informationen fortgesetzt werden. Diese stimmen weitgehend mit den Informationen überein, die bisher auch im Rahmen des EU-REACH-Systems übermittelt werden mussten.
Britische Unternehmen werden künftig neben ihrer Eigenschaft als Downstream User auch zu Importeuren. Unternehmen, mit Sitz in Großbritannien, die Chemikalien aus der EU importieren, müssen also sicherstellen, dass eine gültige UK REACH Registrierung besteht. Hierzu müssen die betroffenen Unternehmen eine „Downstream User Import Notification“ (DUIN) bei der zuständigen Behörde HSE einreichen.

Fristen für UK REACH:

30.4.2021 Übermittlung von Basisinformationen an HSE, um bestehende REACH Registrierungen in britisches System zu überführen (Grandfathering)
27.10.2021 Übermittlung einer Down Stream Import Notification (DUIN) an HSE durch britische Unternehmen, die von Downstream Usern zu Importeuren werden
28.10.2023 Übermittlung des vollständigen Dossiers für
• Kanzerogene, mutagene oder reproduktionstoxische Substanzen (KMR) ab einer Tonne pro Jahr
• Substanzen ab 1000 Tonnen pro Jahr
28.10.2025 Übermittlung des vollständigen Dossiers für
• Substanzen aus der Kandidatenliste
• Substanzen ab 100 Tonnen pro Jahr
28.10.2027 Übermittlung des vollständigen Dossiers für
Substanzen ab 1 Tonne pro Jahr

Getränke- und Lebensmittelkennzeichnung

In der EU ist es Pflicht im Rahmen der Lebensmittelkennzeichnung, auf der Verpackung die Adresse des Herstellers oder Verkäufers mit Sitz innerhalb der EU anzugeben. Um Produkte weiterhin in Großbritannien verkaufen und vertreiben zu können, ist zunächst keine Änderung der Kontaktdaten bis zur Übergangsfrist zum 30.9.2022 erforderlich.
Ab dem 1.10.2022 sind insoweit Kontaktdaten des Lebensmittel-Betreibers FBO (Food Business Operator) mit Sitz im Vereinigten Königreich anzugeben. Hat das Unternehmen dort keinen Sitz, ist die Adresse Importeurs anzugeben.
Produkte tierischen Ursprungs müssen in Großbritannien ab dem 1.1.2021 mit dem neuen POAO-Kennzeichen (UK Health and Identification Mark on Products of Animal Origin) gekennzeichnet werden.
Zudem darf das EU-Bio-Zertifikat ab dem 1.1.2021 nicht mehr verwendet werden, es sei denn, dass sich EU und das Vereinigte Königreich im Rahmen eines Äquivalenzabkommens darauf einigen, die gegenseitigen Standards diesbezüglich anzuerkennen. Bisher anerkannte UK-Bio-Labels dürfen weiterhin verwendet werden.
Auf bestimmten Lebensmitteln, u.a. Fleisch, Obst und Gemüse, sind Herkunftsbezeichnungen vorgeschrieben. Bisher wird bei der Herkunftsangabe in EU und Nicht-EU unterschieden. Auch diesbezüglich gilt die Übergangsfrist bis zum 30.9.2022.

Ab dem 1.10.2022 ist bei der Herkunftsangabe UK und non-UK anzugeben.
Für Olivenöl und Honig gibt es besondere Vorschriften. Details hierzu sind der Handreichung der britischen Regierung zu entnehmen.
Lebensmittel und Getränke, deren Herkunft geographisch geschützt (GI-protected) sind, müssen das entsprechende britische Logo verwenden. Für Wein und Spirituosen ist die Nutzung optional.
Für die Kennzeichnung für Lebensmittel im Rahmen des Exports von Waren in die EU gelten weiterhin die Vorschriften der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Sonderstatus für Nordirland

Das Nordirland-Protokoll zum Austrittsabkommen der EU mit dem Vereinigten Königreich sieht vor, dass Nordirland Teil des EU-Binnenmarktes bleibt. Die neuen Regelungen zur UKCA-Kennzeichnung finden daher keine Anwendung.
In Nordirland ist die CE-Kennzeichnung oder eine Kennzeichnung mit dem UKNI-Label (United Kingdom Northern Ireland) erforderlich. Die UKCA-Kennzeichnung genügt für das Inverkehrbringen von Waren in Nordirland hingegen nicht.

Fazit

Hersteller und Händler, die Produkte auch nach dem Brexit in Großbritannien vertreiben wollen, sollten sich mit den neuen Zulassungsverfahren und Produktkennzeichnungen vertraut machen.
Zwar schafft die Übergangsregelung meist bis Ende 2021 die Möglichkeit die europäische CE-Kennzeichnung weiter zu nutzen, allerdings gilt die Übergangsregelung nur, solange die für das Produkt geltenden Anforderungen in der EU und in Großbritannien bezüglich des Schutzniveaus identisch bleiben.

Görtz Legal – 02/2021

Dominik Görtz
Rechtsanwalt / Geschäftsführer
Wirtschaftsjurist Univ. Bayreuth
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

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