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8. Januar 2021 - erstellt von Dominik Görtz
Maschinen- und Anlagenbau – Probleme bei Verzögerungen bei der Auslieferung und Inbetriebnahme wegen Corona

Folgen einer Corona-bedingten „Auslieferblockade“ für Maschinen nach dem
Produktsicherheitsrecht

Fallsituation 1:
Hersteller A hat eine von B beauftragte Maschine fertig gestellt. Auf Grund der Corona-Situation ist es dem Hersteller seit mehreren Monate nicht möglich, die Maschine an B auszu-liefern.
Vor der tatsächlichen Auslieferung an B treten Normänderungen ein bzw. laufen Übergangs-fristen z. B. im Dezember 2020 ab, was zur Folge hat, dass die fertige Maschine nicht mehr die Anforderungen der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) erfüllt.

Fallsituation 2:
Hersteller A hat eine von B beauftragte Maschine fertig gestellt und an B ausgeliefert. Auf Grund der Corona-Situation ist es dem Hersteller seit mehreren Monate nicht möglich, die Endmontage der Maschine vor Ort bei B vorzunehmen und die Maschine in Betrieb zu nehmen.
Vor der tatsächlichen Inbetriebnahme bei B treten Normänderungen ein bzw. laufen Übergangsfristen ab, was zur Folge hat, dass die fertige Maschine nicht mehr die Anforderungen der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) erfüllt.

Fragen:
Muss der Hersteller Nacharbeiten an der Maschine vornehmen, um die neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen?
Sofern dies erforderlich ist, wer hat die damit verbundenen Kosten zu tragen und wie wirkt sich dies auf bestehende Liefertermine aus?

Rechtliche Ausgangslage:

Grundsätzlich haben Hersteller von Produkten sicherzustellen, dass diese den geltenden einschlägigen Normen und Richtlinien für das jeweilige Produkt entsprechen. Hier ist die ein-schlägige Richtlinie die Maschinenrichtlinie, 2006/42/EG, die Vorgaben für die herzustellen-den Maschinen zur Gewährleistung der Sicherheit enthält, welche zwingend eingehalten werden müssen. Artikel 5 der Maschinenrichtlinie regelt Folgendes:

„Der Hersteller oder sein Bevollmächtigter muss vor dem Inverkehrbringen und/oder der Inbetriebnahme einer Maschine
a) sicherstellen, dass die Maschine die in Anhang I aufgeführten, für sie geltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllt;
.
.
d) die zutreffenden Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Artikel 12 durchführen;
e) die EG-Konformitätserklärung gemäß Anhang II Teil 1 Abschnitt A ausstellen und sicherstellen, dass sie der Maschine beiliegt;
f) die CE-Kennzeichnung gemäß Artikel 16 anbringen“

Danach muss der Hersteller einer Maschine, die unter die Maschinenrichtlinie fällt, sich um die Konformitätsbewertung, EU-Konformitätserklärung usw. kümmern. Er muss sicherstellen, dass die Maschine den geltenden gesetzlichen Vorschriften entspricht. Dies muss laut Artikel 5 der Maschinenrichtlinie vor Inverkehrbringen oder Inbetriebnahme erfolgen. Artikel 2 der Maschinenrichtlinie regelt, was damit genau gemeint ist.

Danach ist das Inverkehrbringen:
„..die entgeltliche oder unentgeltliche erstmalige Bereitstellung einer Maschine oder einer unvollständigen Maschine in der Gemeinschaft im Hinblick auf ihren Vertrieb oder ihre Benutzung“

Die Inbetriebnahme ist:
„..die erstmalige bestimmungsgemäße Verwendung einer von dieser Richtlinie er-fassten Maschine in der Gemeinschaft“

Hersteller im Sinne der Maschinenrichtlinie ist nach Artikel 2 i 2006/42/EG
„jede natürliche oder juristische Person, die eine von dieser Richtlinie erfasste Maschine….konstruiert und/oder baut, und für die Übereinstimmung der Maschine mit dieser Richtlinie im Hinblick auf ihr Inverkehrbringen unter ihrem eigenen Namen o-der Warenzeichen…verantwortlich ist.“
Der relevante Zeitpunkt, zu welchem die Maschine der Maschinenrichtline 2006/42/EG entsprechen bzw. deren Anforderungen erfüllen muss, ist der Zeitpunkt des Inverkehrbringens bzw. der Inbetriebnahme.
Demnach sind diese zwei Zeitpunkte genauer zu untersuchen im Hinblick auf die o.g. Fallkonstellationen.

Inverkehrbringen und Inbetriebnahme im Sinne der Maschinenrichtlinie

In § 86 des Leitfadens für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, wird die Begriffsbestimmung zur „Inbetriebnahme“ näher geregelt:
Danach werden „Maschinen, die in der EU in Verkehr gebracht werden, in Betrieb genommen, wenn sie erstmals in der EU benutzt werden. Dies gilt für neue Maschinen, die am Standort des Benutzers vollständig montiert und geprüft wurden (und als vor Ort gefertigt bezeichnet werden könnten).“
Nach § 74 des Leitfadens für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, welcher den Begriff des „Inverkehrbringens“ näher definiert:
„bedeutet die Bereitstellung einer Maschine, dass die Maschine vom Hersteller einer anderen Person wie einem Händler oder Benutzer überlassen wird bzw. auf diesen übergeht. Häufig geht danach mit dem Inverkehrbringen das Eigentum an der Maschine gegen Bezahlung vom Hersteller auf den Benutzer über“.
Allerdings ist zu beachten, dass sowohl der Begriff des Inverkehrbringens als auch der der Inbetriebnahme im Sinne der Maschinenrichtlinie nicht genau definiert und nicht ganz eindeutig klar sind. Gerade im Hinblick auf den relevanten Zeitpunkt im Bereich des Verkaufs von Maschinen, welche bis zur endgültigen Abnahme unter Umständen verschiedenste Tätigkeiten umfassen kann, von der Anlieferung über die Montage, Installation, Einrichtung im Be-trieb des Käufers und auch den Probebetrieb der Maschine vor Ort, die somit auch über einen gewissen Zeitraum andauern. Insofern ist der genaue Zeitpunkt genau zu bestimmen, was nicht immer ohne weiteres möglich ist. Feststeht, dass das Inverkehrbringen und somit der relevante Zeitpunkt für jedes Produkt einzeln zu bestimmen sind, und nicht für eine Pro-duktart (vgl. 2.3 der Blue Guide Richtlinie, 2016/C 272/01).

Rechtliche Würdigung:

Fallsituation 1)
Fraglich ist für die Fallsituation 1) also, ob zumindest das zeitlich der Inbetriebnahme vorgelagerte Inverkehrbringen bereits erfolgt ist.
Vorliegend wurde die Maschine vom Hersteller an den Kunden noch nicht geliefert und befindet sich noch beim Hersteller. Zu prüfen ist, ob nach der Herstellung, trotz noch ausstehender Auslieferung der Maschine an den Kunden, ein Inverkehrbringen nach der Maschinenrichtlinie bereits erfolgt sein kann.
Man könnte zunächst das Inverkehrbringen mit der Abnahme der Maschine zeitlich gleich-setzen, und dies als den Zeitpunkt des „sicherheitstechnischen Gefahrübergangs“ ansehen. Das bedeutet vor dem Hintergrund der Maschinenrichtlinie, dass zu diesem relevanten Zeitpunkt die EU-Konformitätserklärung, also die CE-Kennzeichnung und die Konformitätsbewertung vorliegen müssen. Um diese jedoch rechtmäßig erteilen zu können, muss zu-nächst eine umfassende Risikoanalyse und Bewertung der Maschine, welche zentrale Elemente und Basis der Konformitätsbewertung und der damit verbundenen CE-Kennzeichnung darstellen, erfolgen. Diese sind aber erst nach einem erfolgten Probebetrieb der Maschine möglich. Gerade bei Maschinen, die vor Ort zusammen- bzw. fertiggestellt werden, ist ein solcher Probebetrieb im Anschluss notwendig, um die Erfüllung der sicherheitstechnischen Vorgaben gewährleisten zu können, da diese vorher geprüft werden müssen. Erst nach dem erfolgten Probebetrieb und die darauffolgende Risikoanalyse und Konformitätsbewertung, kann sodann der letzte Schritt – die Abnahme der Maschine – erfolgen. Insofern ist der Probebetrieb der Maschine, der noch vor der Risikoanalyse erfolgen muss, hier als Teil der Herstellung anzusehen, und zeitlich noch vor dem Inverkehrbringen einzuordnen und dieser unterliegt in Fall 1 noch voll und ganz der Verantwortung des Herstellers. Von dieser Verantwortung wird der Hersteller erst dann frei, nachdem der o.g. sicherheitstechnische Gefahrübergang erfolgt ist.
Für die Fallkonstellation 1) bedeutet das, dass weder ein Inverkehrbringen, noch eine Inbetriebnahme erfolgt sind, sodass für diese Konstellation der sicherheitstechnische Gefahr-übergang noch keinesfalls eingetreten ist. Vorliegend konnte der Hersteller die Maschine noch nicht einmal an den Kunden ausliefern, sie befindet sich noch im Herstellerbetrieb und somit auch noch in dessen Verantwortungssphäre. Außerdem ist zu beachten, dass die Maschinenrichtlinie und alle einschlägigen sicherheitsrechtlichen Vorgaben für die Maschine, denen sie entsprechen muss, erst ab dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens gelten. Da der Hersteller die Maschine noch nicht geliefert hat, gelten die Regelungen in der Fallsituation 1) zeitlich In diesem Fall noch nicht einmal. Der relevante Zeitpunkt ist für den Hersteller noch nicht eingetreten, die Maschine muss in diesem Zeitraum auch nicht mit den Richtlinien im Einklang stehen.
Nach Artikel 5 Abs. 1 lit a) der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG muss der Hersteller vor dem Inverkehrbringen sicherstellen, dass die Maschine die für sie geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllt. Damit obliegt es dem Hersteller hier alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Maschine die neuen Anforderungen an die Sicher-heit erfüllt, nachdem sich die Normen hierzu geändert haben.

Fallsituation 2):
In dieser Fallsituation befindet sich die Maschine bereits beim Kunden, konnte allerdings noch nicht fertiggestellt und In Betrieb genommen werden. Der Zeitpunkt ist somit im Gegensatz zur Fallsituation 1) etwas nach hinten verlagert. Fraglich ist, ob also in dieser Situation der Hersteller von seiner Verantwortung frei geworden ist.
Auch hier ist wieder auf das Inverkehrbringen abzustellen, da diese zeitlich vor der Inbetriebnahme erfolgt. In der Fallkonstellation 2) ist eine Überlassung an den Kunden grundsätzlich erfolgt. Abhängig davon, ob noch eine Endmontage zu erfolgen bzw. sonstige vertragliche Verpflichtungen des Herstellers zur Nutzbarkeit der Maschine bestehen kann damit eine Inverkehrbringung vorliegen. Dies wird man dann allerdings wohl nicht annehmen können, wenn der Hersteller sich als Teil seiner Leistungspflicht zur Inbetriebnahme der Maschine vor Ort beim Kunden verpflichtet hat und dies nicht als vom Hauptvertrag gesonderte Unterstützungsverpflichtung einer Inbetriebnahme durch den Kunden geregelt ist.
Eine Inbetriebnahme ist auch bei der Fallsituation 2) eindeutig nicht erfolgt. Hierfür bedarf es auch keiner eingehenden Prüfung, denn sogar die zeitlich vor der Inbetriebnahme erforderliche Endmontage bzw. vollständige Fertigstellung der Maschine ist noch nicht erfolgt. Fraglich könnte hier lediglich sein, ob bereits durch das Liefern der Maschine an den Kunden ein Inverkehrbringen vorliegt und somit bereits der relevante Zeitpunkt, zu dem die Übereinstimmung der Maschine mit den Vorgaben der Maschinenrichtlinie vorliegen muss, eingetreten ist.
Die nachträgliche Änderung der Richtlinie hat zur Folge, dass die Maschine nicht mehr den gesetzlichen Regelungen der einschlägigen Richtlinie entspricht. Aufgrund der Corona-Maßnahmen traten zeitliche Verzögerungen auf und die Endmontage und Inbetriebnahme durch den Hersteller konnten noch nicht erfolgen, während die Maschine bereits einige Zeit vor Ort beim Kunden stand.

Übergangsvorschriften

Allerdings regelt 2.9 der 2016/C 272/26-Richtlinie (der „Blue-Guide“), dass im Falle neuer oder überarbeiteter Rechtsvorschriften, zunächst Übergangszeiten für die Hersteller bestehen, sodass diese ihre Produktion den neuen Vorschriften anpassen können. Hierzu heißt es in der Richtlinie:
„Im Falle neuer oder überarbeiteter Rechtsvorschriften kann den Wirtschaftsbeteiligten zur Anpassung an die neuen Vorschriften zusätzlich Zeit eingeräumt werden – die sogenannte Übergangszeit, d.h. die Zeit zwischen dem Inkrafttreten einer neuen Regelung und dem Zeitpunkt ihrer Anwendung“
Weiter regelt der „Blue Guide“, dass nach Ablauf dieser Übergangszeit Produkte, die vor oder während dieses Zeitraums entsprechend der aufzuhebenden Regelungen hergestellt wurden, nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Wenn das Inverkehrbringen allerdings bereits erfolgt ist, kann eine Bereitstellung erfolgen. Hierzu heißt es:
„Ein Produkt, das vor dem Ende der Übergangszeit in Verkehr gebracht wird, sollte nach diesem Datum bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden dürfen.“
Dies kann lediglich durch spezifische Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union für ge-wisse Produkte dennoch ausdrücklich verboten werden.
Insofern kommt es für den vorliegenden Fall lediglich darauf an, ob die Maschine bereits vor Änderung der einschlägigen Maschinenrichtlinie wirksam in Verkehr gebracht worden ist. Dann hätte der Hersteller bereits alles Erforderliche getan und Nacharbeiten an der Maschine wären in der Regel nicht mehr erforderlich. Denn sofern das Inverkehrbringen bereits zeitlich vor der Normänderung geschehen ist, ist nach der „Blue-Guide“ Richtlinie auch nach Ablauf der Übergangszeit eine Bereitstellung oder Inbetriebnahme, sofern nicht ausdrücklich durch Richtlinien verboten, problemlos möglich.
Probebetrieb als relevanter Zeitpunkt
Wie bereits erläutert, müssen bei Maschinen, welche vor Ort beim Kunden erst noch zusammen- bzw. fertiggestellt werden müssen, Probebetriebe durchgeführt werden um die erforderliche Risikobewertung durchführen zu können. Dies liegt noch als Teil des Herstellungsprozesses der Maschine im vollen Verantwortungsbereich des Herstellers. Da das Inverkehrbringen, bzw. die Bereitstellung im Anschluss an das Inverkehrbringen der Maschine, sich auf jedes einzelne Produkt bezieht, bzw. in Bezug auf jedes Produkt einzeln geprüft wird, ist hier maßgeblich darauf abzustellen, was für eine Maschine vorliegt und inwiefern Montage-, Installations- und Fertigstellungsarbeiten erforderlich sind vor Ort beim Kunden. Sind diese erforderlich, damit der Kunde die Maschine in Betrieb nehmen kann, so erfolgt das Inverkehrbringen und zeitgleich die Abnahme somit nach diesen ganzen Arbeiten. Man kann den Probebetrieb der Maschine als Orientierung heranziehen für den zeitlich letzten, im Verantwortungsbereich des Herstellers liegenden Abschnitt. (s. DGUV- Information FB HM-016 Probebetrieb von Maschinen und maschinellen Anlagen Stand 09/2016) In diesem Zeitraum, bis einschließlich zum Probebetrieb der Maschine gelten wie bereits festgestellt, die sicherheitsrechtlichen Anforderungen nach der Maschinenrichtlinie für die Maschine noch nicht, da noch kein Inverkehrbringen vorliegt. Erst nach diesem Probebetrieb wird die Maschine vom Kunden erstmalig In Betrieb genommen. Vorliegend war es dem Hersteller noch nicht möglich, die Endmontage und den dazugehörigen Probebetrieb der Maschine vor Ort vorzunehmen. Eine Inbetriebnahme durch den Kunden ist daher zu diesem Zeitpunkt in der Fallsituation 2) noch nicht möglich, sodass auch hier der relevante Zeitpunkt des Gefahrübergans noch nicht eingetreten ist. Auch hier ist es wie in der ersten Fallkonstellation, dass der Hersteller eine Übereinstimmung der Maschine mit den geltenden Richtlinien sicherstellen muss, da Artikel 5 der Richtlinie 2006/42/EG diese Verantwortung ausdrücklich regelt. Er ist dafür verantwortlich und hat folglich die damit zusammenhängenden Kosten zu tragen.

Konsequenzen der Corona bedingten Lieferverzögerung

1.) Bei vertraglichen Regelungen
Die Konsequenzen einer längeren zeitlichen Verzögerung sind in erster Linie individuell durch die Vertragsparteien zu klären. Üblicherweise beinhalten Lieferverträge dieser Art für den vorliegenden Fall sog. „Force Majeure“ Klauseln, welche den Fall regeln, dass in Folge höherer Gewalt beispielsweise Lieferverzögerungen auftreten. In den aller meisten Fällen regeln diese Klauseln, dass in Fällen höherer Gewalt die Vertragspflichten für diesen Zeitraum ruhen. Höhere Gewalt wird von der Rechtsprechung ganz allgemein definiert als:
„ein von außen kommendes, auch durch die äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt, nicht abwendbares Ereignis…“ (BGH Urteil vom 16.05.2017, Az.: X ZR 142/15)
Die Hinderungsgründe müssen also außerhalb des Einflussbereichs einer Partei liegen. Solche Gründe stellen unter anderem Epidemien, Seuchen, Krankheiten und Pandemien dar. Insofern sind durch die Corona-Pandemie hervorgerufene Hinderungsgründe, auch solche, die außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners liegen. Denn bisher wurden von der Rechtsprechung als höhere Gewalt beispielsweise Seuchen, Epidemien und Pandemien ein-gestuft.
In den vorliegenden Fällen höherer Gewalt regeln die meisten Force Majeure Klauseln, dass die Pflichten zur Leistung, welche bedingt durch die höhere Gewalt nicht erbracht werden können, zumindest temporär ruhen.

2.) Bei fehlenden vertraglichen Regelungen
In den Fällen, in denen vertraglich keine Klausel zur höheren Gewalt vereinbart ist, ist zu prüfen ob die Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 BGB vorliegt. Unmöglichkeit der Leistung kann unter Umständen auch nur zeitlich vorübergehend vorliegen. Wenn Unmöglichkeit vorliegt, wird der Schuldner, solange diese Unmöglichkeit andauert, von der Leistungspflicht befreit. Z.B. ist zu fragen, ob die Anreise zum Kunden und das Fertigstellen der Maschine für die Inbetriebnahme vor Ort für Hersteller unmöglich im Sinne des § 275 Absatz 1 BGB ist. Dies würde beispielsweise dann zu bejahen sein, wenn die Einreise für Hersteller zwecks Fertigstellung aufgrund der Corona Krise verboten wäre und die Leistungserbringung auch anderweitig, notfalls durch Einschaltung Dritter nicht möglich ist. Alternativ könnte es auch sein, dass die Erfüllung der Fertigstellungspflicht vor Ort im Ausland in einem groben Missverhältnis zum Leitungsinteresse des Kunden steht, sodass den Herstellern hier das Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Absatz 2 BGB zusteht. Hier ist allerdings zu beachten, dass diese Grenze sehr hoch angesetzt ist, da der Schuldner grundsätzlich das Beschaffungsrisiko trägt.
Dennoch ist vorrangig auf die individuelle, vertragliche Abrede abzustellen. Zu beachten ist allerdings noch, dass allein bei Vorliegen einer Corona bedingten Lieferverzögerung, der Hersteller sich nicht ohne Weiteres auf höhere Gewalt berufen und die Leistung vorerst ein-stellen kann. Zusätzlich ist erforderlich, dass das Leistungshindernis auch mit größter Sorgfalt und Einsatz wirtschaftlich erträglicher Mittel nicht verhindert oder beseitigt werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass ein strengerer Maßstab anzulegen ist, das heißt dem Schuldner sind auch finanzielle Mehraufwendungen durchaus zumutbar, um die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten sicherzustellen. Dies kann beispielsweise durch anderweitige Transportmöglichkeiten oder sonstige alternative Möglichkeiten erfolgen. Erst nach erfolglosem Aus-schöpfen dieser alternativen Möglichkeiten, kann der Schuldner sich auf die höhere Gewalt berufen und von seinen Pflichten, zumindest vorübergehend, frei werden.

Zusammenfassung/Empfehlung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in den o.g. Fallkonstellationen 1) und überwiegend auch 2) noch kein Inverkehrbringen und auch keine Inbetriebnahme der Maschine erfolgt ist, da abschließende Endmontage und Fertigstellungsarbeiten in beiden Fällen noch nicht erfolgt sind. Im Zeitpunkt des Inverkehrbringens sollte der Hersteller sicherstellen, dass die Maschine den Richtlinien der 200/42/EG entspricht, sodass er danach von seiner Verantwortung frei wird. Vorher ist er allein dafür verantwortlich, dass die Maschine gesetzeskonform ist.
Für die Lieferverzögerung die dadurch entsteht, heißt das, dass diese im Falle höherer Gewalt, nicht vom Hersteller zu vertreten sind, sofern er alternative Maßnahmen ergriffen hat. Da meisten Lieferverträge sog. „Force Majeure“ Klauseln enthalten, ist in den allermeisten Fällen zudem davon auszugehen, dass die Vertragspflichten in dieser Zeit beidseitig vorübergehend ruhen. Nach dem Hindernis ist der Hersteller allerdings wieder verpflichtet, sei-ne Leistung vollständig zu erbringen.

Stuttgart, den 8. Januar 2021

Dominik Görtz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Stuttgart / Heilbronn

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