Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung … (BGBl. I 2017, 969)
Die Gesetzesreform enthält grundlegende Neuregelungen zur kaufrechtlichen Sachmängelhaftung im B2B-Handelsverkehr, die in der bisherigen Wahrnehmung bei Unternehmen teilweise keine bzw. nur sehr wenig Beachtung gefunden haben.
I. Ausgangspunkt der Gesetzesreform
- Regressfalle für Handwerker
Der Gesetzgeber sah sich zunächst auf Grund einer besonderen Schutzbedürftigkeit kleinerer Handwerker und Bauunternehmen zu der Gesetzesreform im Rahmen der Bauvertragsrechtsreform veranlasst. Handwerker waren in der Regel bislang nicht in der Lage, werkvertraglich geschuldete Aus- und Einbaukosten wegen mangelhaftem Baumaterial an ihre Lieferanten weiterzureichen.
Mit der Gesetzesreform soll Abhilfe von der sog. Regressfalle für Handwerker geschaffen werden. Es ist äußerst zweifelhaft, ob es dazu in der Praxis tatsächlich kommt.
- Austauschkosten als verschuldensunabhängige Nacherfüllung
Zudem hat der EuGH 2011 auf Vorlage deutscher Zivilgerichte die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache als Verpflichtung des Verkäufers gegenüber dem Verbraucher festgestellt. Aus der Verbrauchsgüterrichtlinie ergibt sich gegenüber dem gewerblichen Verkäufer ein verschuldensunabhängiger Nacherfüllungsanspruch auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten beim Verkauf mangelhafter Waren.
Der deutsche Gesetzgeber hat diesen nunmehr auf alle Kaufgeschäfte ausgeweitet und zwar auch für den reinen Unternehmenskaufverkehr (B2B-Geschäft). Damit geht die Kaufrechtsreform weit über die europäischen Vorgaben der Verbrauchsgüterrichtlinie hinaus.
Im B2B-Geschäft wird die am 01.01.2018 in Kraft getretene Kaufrechtsreform gravierende, im Einzelfall mitunter existenzbedrohende Auswirkungen für verarbeitende Unternehmen und Fachgroßhändler in der deutschen Zuliefererindustrie haben
„Regressfalle für Zuliefererunternehmen“.
II. Aufwendungsersatz für Austauschkosten nach § 439 Abs. 3 BGB
Der neue § 439 Abs. 3 BGB sieht vor, dass der Verkäufer dem Käufer, der die Kaufsache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut hat, im Rahmen der Nacherfüllung die erforderlichen Aufwendungen für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der mangelfreien Sache zu ersetzen hat.
- Art- und verwendungszweckgemäßer Einbau der Kaufsache
Erfasst werden alle Fälle des Anbringens und Einbaus von beweglichen Gegenständen und deren Ausbau und Wiedereinbau im Rahmen der Nacherfüllung. Nicht erfasst werden Veredelungsvorgänge an der Kaufsache.
Die Voraussetzung des art- und verwendungszweckgemäßen Einbaus der Sache ist objektiv zu beurteilen. Maßgeblich kommt es darauf an, ob der Käufer die Kaufsache bestimmungsgemäß verwendet hat. Dies ist der Fall, wenn die Verwendung den Vereinbarungen mit dem Verkäufer oder, wenn solche nicht bestehen, dem Üblichen Einsatz entspricht. Zu beachten ist dabei, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung in der Regel eine Verwendungszweckabrede konkretisiert.
- Erforderliche Aufwendungen
Der Verkäufer hat dem Käufer die Kosten des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der mangelfreien Kaufsache zu ersetzen, die aus Sicht eines vernünftig, wirtschaftlich denkenden Auftraggebers für eine geeignete und erfolgversprechende Mängelbeseitigung notwendig waren.
Unverhältnismäßige Kosten sind nicht zu erstatten. Dies gilt auch dann, wenn diese Kosten zur Mängelbeseitigung erforderlich sind.
- Mangelkenntnis beim Einbau als Anspruchsausschluss
Erlangt der Käufer zwischen Vertragsschluss und Einbau der Kaufsache Kenntnis von deren Mangelhaftigkeit, kann er keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz für Austauschkosten nach § 439 Abs. 3 BGB geltend machen. Handelt der Verkäufer nicht arglistig, so genügt bereits grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers vom Mangel der Kaufsache.
Die Neuregelung führt zwangsläufig zu der Frage, ob und welche Prüfobliegenheiten für den Käufer vor dem Einbau der Kaufsache gelten.
III. Allgemeiner Lieferkettenregress §§ 445 a, b BGB
Eine auf den ersten Blick unscheinbare Neuregelung ist weiter die Verlagerung des Lieferkettenregresses aus den Verbrauchsgütervorschriften – § 478 BGB – in §§ 445 a, b BGB.
- Selbständiger Lieferkettenregress § 445 a Abs. 1 BGB
Bei § 445 a Abs. 1 BGB handelt es sich um einen selbständigen und unabhängig vom Vorrang der Nacherfüllung geltenden Aufwendungsersatzanspruch für Austauschkosten innerhalb der Lieferkette.
Der Verkäufer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von dem Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hatte (sog. Lieferant), Ersatz der Aufwendungen verlangen, der er im Verhältnis zu seinem Käufer nach §§ 439 Abs. 2 und 3 zu tragen hatte. Dies setzt voraus, dass der geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war.
- Unselbständiger Lieferkettenregress nach § 445 a Abs. 2 BGB
§ 445 a Abs. 2 BGB gibt dem Verkäufer das Recht der sofortigen Geltendmachung der in § 437 Nr. 2 BGB genannten Rechtsbehelfe – Rücktritt oder Minderung. Diese Vorschrift setzt das zentrale Prinzip des modernen Schuldrechts – Erforderlichkeit der Nachfristsetzung und das damit korrespondierende Recht der zweiten Andienung des Verkäufers vor Rücktritt, Minderung und Schadensersatz – weitgehend außer Kraft.
Nachfristsetzung und zweite Andienung sind für die genannten Rechtsbehelfe nur noch innerhalb des letzten, die Lieferkette abschließenden Vertragsverhältnisses erforderlich.
IV. Kaufmännische Rügeobliegenheit gemäß § 377 HGB
Eine für das erfolgreiche Durchlaufen der Regresskette bedeutsame Frage ist die Geltung der kaufmännischen Rügeobliegenheit des § 377 HGB.
Die Wirksamkeit und Wirkungen des Aufwendungsersatzanspruches nach § 439 Abs. 3 BGB und des Lieferkettenregresses hängen in entscheidender Weise davon ab, wie man den Untersuchungs-, Prüfungs- und Informationsaufwand des Käufers bemisst und welche Zeitspanne ihm bei einer Weiterveräußerung zur Rüge verbleibt, wenn er – etwa durch Kundenbeschwerden – von eventuellen Mängeln der Kaufsache erfährt.
V. Vertraglicher Gestaltungsspielraum
Angesichts der Ausweitung der gesetzlichen Bestimmungen zum Aufwendungsersatzanspruch für erforderliche Austauschkosten und zum Lieferkettenregress gewinnen vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten besondere Relevanz.
- Gestaltungsmöglichkeiten für Verkäufer
Dabei geht es nicht nur um die Einschränkung und das Abbedingen der neugeregelten gesetzlichen Bestimmungen, sondern auch um deren Konkretisierung. Dem Verkäufer muss insbesondere durch klare Vereinbarungen zur Beschaffenheit sowie des Verwendungszwecks der Kaufsache daran gelegen sein, seine Einstandspflicht schon auf der Ebene des Sachmangels zu begrenzen. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich für den Verkäufer im Zusammenhang mit den Einwänden der Verjährung und der ordnungsgemäßen Mängelrüge wie auch in Bezug auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Käufers von der Mangelhaftigkeit der Kaufsache.
- Gestaltungsmöglichkeiten für Käufer
Für den Käufer wiederrum ist es von Bedeutung, dass die gesetzlichen Neuregelungen Anwendung finden. Zudem besteht für ihn ein Bedürfnis Darlegungsschwierigkeiten für das Vorliegen eines Mangels bei Gefahrübergang zu begegnen und dem Rechtsverlust durch Verletzung der kaufmännischen Rügeobliegenheit vorzubeugen.
Während der unselbständige Regress nach § 445 a Abs. 2 AGB keinen konkreten AGB-rechtlichen Gestaltungsschranken unterliegt, findet die Inhaltsschranke der Neuregelung § 309 Ziff. 8 lit. b) cc) BGB für B2B-Handelsgeschäfte auf § 439 Abs. 3 BGB und möglicherweise auch auf § 445 a Abs. 1 BGB Anwendung. Einschränkungen können sich ergeben, wenn dies nach der Gesetzesbegründung unter Abwägung der besonderen Interessen und Bedürfnisse von Verkäufern und Käufern im unternehmerischen Verkehr im Einzelfall als angemessen angesehen werden kann.
Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung für Kaufgeschäfte im Baustoffhandel mit Handwerkern und kleineren Bauunternehmen andere Kriterien für die Austauschkosten- und Lieferkettenhaftung entwickeln wird als etwa für (Massen-)Kaufgeschäfte der Automobil- und Elektroindustrie. Dabei werden neben branchenspezifischen Eigenheiten auch besondere Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs mit den dort geltenden Gewohnheiten und Handelsbräuche eine wichtige Rolle spielen.
VI. Fazit
Ob dem Gesetzgeber mit den Neuregelungen im B2B-Geschäft eine zukunftsweisende Lösung gelungen ist, darf man sehr bezweifeln. Die Warenbeschaffenheit, damit verbundene Vertragspflichten und deren erfolgreiche Durchsetzung oder Anspruchsabwehr werden letztlich nicht vom Gesetzgeber, sondern von den vertraglichen Vereinbarungen bestimmt.
- Regressfalle für Handwerker
Handwerker, die sich allein auf die neuen Gesetzesregelungen verlassen und keine Vorsorge durch eigene Vertragsgestaltung treffen, werden keinen Nutzen aus der Gesetzesreform ziehen können. Nichtstun wird die Regressfalle für Handwerker nicht beseitigen.
Der Baustoffhandel wird auf die Gesetzesreform reagieren und eigene vertragliche Regelungen, z. B. Verkaufs-AGB, zum bestmöglichen Schutz vor der Haftung auf Aus- und Einbaukosten anpassen.
In gleichem Maße muss auch der Handwerker durch eigene Einkaufs-AGB von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen und die Anwendung der gesetzlichen Regelungen, will er sich die vorteilhafte Rechtslage der Gesetzesreform sichern.
- Regressfalle für Zuliefererunternehmen
Gleiches gilt für die deutsche Zuliefererindustrie. Die Verwendung eigener Verkaufsregelungen (z. B. Rahmenverträge, AGB) im B2B-Geschäft ist absoluter Standard. Die Kaufrechtsreform erfordert eine wesentliche Anpassung der bestehenden Regelungen, um auch künftig Mängelansprüche bestmöglich abwehren zu können.
Mindestens genauso wichtig ist es aber auch, geeignete Vertragsregelungen im Wareneinkauf durch Einkaufs-AGB zu regeln bzw. gesondert zu vereinbaren. Nur damit kann künftig die Möglichkeit der Durchsetzung eigener Mängelansprüche bzw. Weiterreichung der eigenen Verkäuferhaftung gegenüber dem eigenen Lieferanten sichergestellt werden.
- Beratung von Görtz Rechtsanwälte
Görtz Rechtsanwälte berät Unternehmen jeder Rechtsform, vom Handwerksbetrieb bis zum international tätigen Großhändler, in allen rechtlichen Fragen und Angelegenheiten der Kaufrechtsreform 2018, Gewährleistung und Produkthaftung im B2B-Geschäft.
Nur wer rechtzeitig auf die neue Gesetzeslage reagiert, wird seine Haftungsrisiken begrenzen und die eigenen Regressmöglichkeiten sichern können.
„Dass Haftung und Risiko zusammen gehören, ist keine linke Idee, sondern ein Grundprinzip der Marktwirtschaft.“
Zitat v. Peer Steinbrück
Stuttgart, den 13. März 2018
Dominik Görtz
– Rechtsanwalt –