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8. November 2021 - erstellt von Dominik Görtz
BGH erschwert das Rücktrittsrecht beim Kauf eines abgasmanipulierten Diesel-Kfz

BGH-Urteil v. 29.09.2021VII ZR 111/20 zur Nacherfüllung mit Software-Update vor Diesel-Rücktritt

I. Vorbemerkung

Die Händlerin verweigerte Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen eines abgasmanipulierten Diesels
Der BGH hat mit einer neuen Entscheidung den Rücktritt vom Kauf eines abgasmanipulierten Dieselfahrzeugs erschwert. Der Käufer kann verpflichtet sein, vor der Erklärung eines Rücktritts vom Kaufvertrag, dem Verkäufer die Möglichkeit der Nacherfüllung, evtl. auch durch das Aufspielen eines Software-Updates, einzuräumen.

Die Rechtsprechung des BGH zu Schadenersatz und Rücktritt für Käufer eines Schummel-Diesel wird zunehmend komplexer. In seiner jüngsten Entscheidung zum sogenannten Dieselskandal hat der BGH dem Käufer eines Skoda Yeti mit eingebautem VW-Diesel, abgasmanipulierend, das Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zunächst verweigert und von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht, deren Vorliegen das Berufungsgericht noch klären muss.

II. Kauf eines Skoda-Diesel mit eingebauter VW-Abgas-Software

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger im Jahr 2015 bei einer Händlerin ein Neufahrzeug Skoda Yeti erworben, in dem ein von Volkswagen hergestellter Dieselmotor des Typs EA 189 eingebaut war. Der Motor war mit der bekannten Steuerungssoftware versehen, die auf dem Prüfstand den Ausstoß von Stickoxiden verringert.

1. Händlerin verweigerte Rückabwicklung des Kaufvertrags

Im Herbst 2017 erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Händlerin verweigerte die Rücknahme des Fahrzeugs und verwies den Käufer auf das von der Volkswagen AG entwickelte und von der Zulassungsbehörde inzwischen freigegebene Software-Update, mit dem ein vorschriftsmäßiger Stickoxidausstoß hergestellt werden könne. Der Käufer ließ das Software update nicht aufspielen. Er befürchtete negative Folgen für die Lebensdauer des Fahrzeugs, den Verbrauch und die Motorleistung.

2. Klage des Käufers zunächst weitgehend erfolgreich

Die Vorinstanzen hatten den Rücktritt des Käufers als wirksam angesehen, obwohl dieser gegenüber dem Verkäufer kein Nachbesserungsverlangen gestellt hatte. Nach Auffassung des Berufungsgerichts war das Nachbesserungsverlangen entbehrlich, weil der Fahrzeughersteller den Kunden über die Beschaffenheit des Fahrzeugs arglistig getäuscht hatte und damit das Vertrauen des Käufers in eine ordnungsgemäße Nacherfüllung so erschüttert war, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts ein Nachbesserungsverlangen mit Fristsetzung entbehrlich war.

Diese Begründung des Berufungsgerichts bewertete der BGH als rechtsfehlerhaft. Die Entbehrlichkeit des Fristsetzungserfordernisses sei eine Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall. Ein Rücktritt gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB setze neben einem Sachmangel im Sinne des § 434 BGB voraus, dass der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzt.

3. Nacherfüllungsverlangen nur ausnahmsweise entbehrlich

Nur wenn besondere Umstände vorlägen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Ausübung des Rücktrittsrechts gemäß § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB oder gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB rechtfertigen, sei das Nachbesserungsverlangen entbehrlich. Ein solcher Umstand liege nach der Rechtsprechung des BGH dann vor, wenn der Verkäufer dem Käufer einen ihm bei Abschluss des Kaufvertrages bekannten Mangel arglistig verschwiegen hat (BGH, Urteil v. 9.1.2008, VIII ZR 210/06).

4. Keine automatische Zurechnung der Herstellerarglist auf dem Händler

Nach dem Urteil des BGH hat das Berufungsgericht verkannt, dass nicht der Verkäufer (Händlerin) den unstreitig vorliegenden Mangel infolge der eingebauten Schummelsoftware verschwiegen hat, sondern der Fahrzeughersteller. Dieses arglistige Verhalten des Fahrzeugherstellers sei der Händlerin, der der Mangel selbst nicht bekannt gewesen sei, nicht ohne weiteres zuzurechnen. Eine solche Zurechnung sei nur bei einem weiteren arglistiges Verhalten, beispielsweise durch das Angebot einer nur unzureichenden Mängelbeseitigungsmaßnahme, möglich.

5. Unzumutbarkeit des Nacherfüllungsverlangens erfordert individuelle Abwägung

In diesem Kontext fordert der BGH eine dezidierte, inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gesamtumständen des Einzelfalls. Grundsätzlich könne die Vertrauensgrundlage zwischen einem Käufer und einem Verkäufer auch dann gestört sein, wenn der Verkäufer sich bei Vertragsabschluss zwar ordnungsgemäß verhalten hat, zur Beseitigung des Mangels aber lediglich eine Nachbesserung in Form eines unzureichenden Software-Updates anbietet.

Ob eine solche Störung des Vertrauensverhältnisses im Einzelfall tatsächlich anzunehmen ist, dürfe der Tatrichter aber nicht schematisch, sondern nur im Rahmen einer sorgfältigen Abwägung entscheiden. Hierbei sei die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die dem Verkäufer das „Recht einer zweiten Andienung“ einräume.

6. Ungeeignetheit des VW-Software-Updates noch nicht erwiesen

Ob das vom Verkäufer angebotene Software-Update eine solche unzureichende Mängelbeseitigungsmaßnahme darstellt, ist nach Auffassung des Senats nicht erwiesen. Insbesondere habe das Berufungsgericht nicht ohne weitere Nachprüfung davon ausgehen dürfen, dass das vom Autohersteller angebotene Software-Update die Gefahr von Motorschäden, die Verkürzung der Lebensdauer des Motors oder Leistungseinbußen des Motors zur Folge habe. Hierzu gebe es keine gesicherten Erkenntnisse, deshalb habe das Berufungsgericht in diesem Fall Beweis durch Sachverständigengutachten erheben müssen. Auch die Beobachtung der weiteren Entwicklung durch die Fachöffentlichkeit könne in diesem Zusammenhang relevant sein.

7. Käufer muss Unzumutbarkeit der Nacherfüllung beweisen

Die angebotene Nachbesserung sei nur dann für den Käufer unzumutbar, wenn mit weiterem arglistigem Verhalten des Herstellers in Zusammenhang mit dem Software-Update zu rechnen sei. Nur in einem solchen Fall müsse der Käufer mit dem Recht zum sofortigen Übergang auf die sekundären Gewährleistungsrechte vor möglichen weiteren Täuschungen geschützt werden. Der BGH betont insoweit, dass der Käufer für die Unzumutbarkeit darlegungs- und beweisbelastet ist. Erweise sich, dass ein weiteres arglistiges Verhalten des Herstellers im Rahmen der Nacherfüllung auszuschließen sei, so sei die angebotene Nachbesserung durch Einbau des Software-Updates nicht unzumutbar.

Quelle: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG www.haufe.de news 03.11.2021

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