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5. November 2021 - erstellt von Dominik Görtz
Aktuelle Rechtsprechung zu mangelhaften FFP2-Masken – Rücktritt wegen fehlerhafter CE-Prüfung / CE-Zertifikate

Landgericht Verden Urteil v. 18.10.2021 (Az. 9 O 59/20)

I. Sachverhalt

Die Klägerin ist Zwischenhändlerin für Gesundheitsprodukte und begehrt Rückzahlung des Kaufpreises für Mundnasenmasken.

Die Beklagte bot der Klägerin Mundnasenmasken in der Klasse KN95/FFP2 an. Auf Nachfrage der Klägerin übersandte die Beklagte eine eigens ausgestellte EU-Konformitätsbescheinigung. In Selbstdeklaration erklärte die Beklagte, dass die Masken mit der einschlägigen PSA-Verordnung 425/2016/EU konform seien. In der Folge bestellte die Klägerin eine Vielzahl an Masken bei der Beklagten. Auf der Verpackung befand sich ein Hinweis auf die CE-Konformität.

Die Klägerin verkaufte die Masken nur teilweise weiter. Ein Teil der Masken wurde zurückgehalten, nachdem die zuständige Gewerbeaufsichtsbehörde Bedenken gegen die Verkehrsfähigkeit der Masken geäußert hatte. Auf Nachfrage der Klägerin übersandte die Beklagte eine EU-Baumusterprüfung einer nicht notifizierten Stelle, in welcher eine konkrete Artikelnummer nicht enthalten waren und als Hersteller eine Firma ausgewiesen wurde, welche weder in den Vertragsunterlagen noch auf der Verpackung oder den Masken selbst genannt war. Nachdem die Gewerbeaufsichtsbehörde weiterhin Bedenken hatte, forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung auf, die zur Herstellung der Verkehrsfähigkeit erforderlichen Unterlagen vorzulegen und behielt sich den Rücktritt vor. Nachdem seitens der Beklagten der Mangel zurückgewiesen wurde und die Behörde einen Verkaufsstop und die Rücknahme der im Feld befindlichen Masken angeordnet hatte, wurde durch die Klägerin der Rücktritt sowie nachfolgend die Anfechtung der streitgegenständlichen Kaufverträge wegen arglistiger Täuschung erklärt.

II. Rechtliche Bewertung

Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt und sprach der Klägerin aufgrund des Rücktritts die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der zurückgehaltenen Masken zu.

Die Beklagte habe ihre sich aus dem Kaufvertrag ergebende Leistungsverpflichtung mangelhaft und damit nicht vertragsgemäß erfüllt. Aufgrund der auf Nachfrage der Klägerin übersandten Konformitätserklärung durch die Beklagte war vereinbart, dass die Masken mit der maßgeblichen PSA-Verordnung und den ausgewiesenen technischen Normen entsprechen müssen. Dies stelle eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung dar, welche bei Gefahrübergang nicht erfüllt war.

Die streitgegenständlichen Mundnasenmasken unterfallen der Begriffsbestimmung der PSA-Verordnung gem. Art. 3 Nr. 1 a. Bei solchen Masken handelt es sich um Ausrüstung, die entworfen und hergestellt wurde, um einer Person als Schutz gegen mindestens ein Risiko für die Gesundheit (Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV 2) getragen werden. Die Masken sollen den Nutzer vor Risiken und schwerwiegenden Folgen wie Tod oder irreversiblen Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit gesundheitsgefährdenden Stoffen und schädlichen biologischen Agenzien schützen und können als Schutzausrüstung der Kategorie III eingeordnet werden (Art. 18 i.V.m. Anhang I, Kategorie III, a und c der PSA-Verordnung). Aufgrund dieser Einstufung unterfallen die Masken einem Konformitätsbewertungsverfahren und entsprechender EU-Baumusterprüfung gem. Art. 19 ff. PSA-Verordnung. Nach den Feststellungen des Gerichts ist das Fehlen einer ordnungsgemäßen EU-Konformitätserklärung als Mangel zu werten, da es zu Abweichungen von der durch die Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung gekommen ist.

Voraussetzung für eine Konformitätsbewertung ist die Ausstellung einer EU-Baumusterprüfung durch eine zugelassene notifizierte Stelle mit Sitz in der EU. Die EU-Baumusterprüfung muss die konkreten Produkte umfassen und zumindest einen Bezug in Form der Kennzeichnung der Artikelnummer beinhalten. Es sei vorliegend aufgrund der Beschaffenheitsvereinbarung erforderlich, dass die Konformität auch formell ordnungsgemäß nachgewiesen ist.

Das Gericht stellt fest, dass selbst wenn man eine Suspendierung der formellen Anforderungen annehmen würde, die Klägerin aufgrund der Vorlage der EU-Konformitätsbescheinigungen und der Kennzeichnung auf der Verpackung von einer ordnungsgemäßen Zertifizierung für FFP2-Masken gemäß der PSA-Verordnung 425/2016/EU ausgehen durfte bzw. bestünde insoweit eine Offenbarungspflicht seitens der Beklagten, da die Verkehrsfähigkeit der Masken hiervon maßgeblich abhing. Deshalb sei die EU-Konformitätserklärung entweder als vertragliche Verwendungsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB oder zumindest nach den öffentlichen Angaben der Beklagten als übliche und erwartbare Beschaffenheit gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB anzusehen gewesen.

Die Klägerin ist nach den Feststellungen des Gerichts auch nicht gem. § 377 HGB mit den Gewährleistungsrechten ausgeschlossen. Diese Verpflichtung nach § 377 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB besteht nur, soweit eine Untersuchung nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist und der Mangel bei dieser überhaupt erkennbar ist. Die Klägerin habe ihrer entsprechenden Rüge- und Untersuchungsobliegenheit vorliegend genüge getan, da die Artikelnummern der gelieferten Masken mit denen der übersandten EU-Konformitätserklärung übereinstimmten. Nach Auffassung des Gerichtes musste sich die Klägerin nicht auch die EU-Baumusterprüfung vorlegen lassen. Es sei insoweit von einem bei der Wareneingangskontrolle nicht erkennbaren Mangel auszugehen.

Das Gericht stellt weiter fest, dass aber selbst, wenn man eine Verpflichtung zur Vorlage einer EU-Baumusterprüfung konstatieren möchte, der Ausschluss dennoch nicht greife. Die Beklagte habe wider Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehandelt, da diese eine zumindest gleich starke Verpflichtung zur Offenbarung und Aufklärung hatte. Zumindest sei die Beklagte aber nach § 377 Abs. 5 BGB ausgeschlossen, da dieser ein arglistiges Verschweigen eines Mangels vorzuwerfen sei. Diese habe in Selbstdeklaration in der EU-Konformitätserklärung zumindest durch Angaben ins Blaue hinein, hier die Konformität mit der PSA-Verordnung, zugesichert obwohl ihr – mangels EU-Baumusterprüfung – die zur sachgemäßen Beurteilung erforderlichen Kenntnisse fehlten.

III. Auswirkungen auf die Praxis

Neben der dargestellten aktuellen Entscheidung des LG Verden reihen sich bereits andere Entscheidungen in den Kontext ein. Zu nennen ist hier u.a. das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 19.02.2021 Az.: 2-01 O 68/20, welches vom OLG Frankfurt am Main in der Berufungsinstanz mit Beschluss vom 25.06.2021 Az.: 4 U 66/21 bestätigt worden ist.

Auch hier hatte die Beklagte Atemschutzmasken mit einer CE-Kennzeichnung bestellt und dahingehend eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung im Kaufvertrag getroffen. Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs konnte die Beklagte kein gültiges CE-Zertifikat vorlegen. Es stellte sich heraus, dass die auf Nachfrage übersandte EU-Konformitätserklärungen eine Fälschung darstellte. Auch in diesem Fall gehen die Gerichte von einem verdeckten Mangel aus, der gem. § 377 HGB nach späterer Entdeckung rechtzeitig gerügt worden war, da für die Klägerin keine Möglichkeit bestand, das Fehlen einer entsprechenden Zertifizierung vorher bei erfolgter Lieferung zu erkennen oder zu vermuten, da auf der Verpackung eine CE-Kennzeichnung vorhanden war, mit welcher u. a. die Einhaltung der Anforderungen für eine ordnungsgemäße EU-Konformitätserklärung bestätigt wird.

Abgesehen davon liegt wäre der Einwand einer verspäteten Mängelrüge zudem bereits nach § 377 Abs. 5 HGB ausgeschlossen, da der Verkäufer Kenntnis der fehlenden Konformitäts- und EU-Baumusterprüfung und der von ihm zu Unrecht ausgestellten EU-Konformitätserklärung und fehlerhaften CE-Kennzeichnung hat bzw. sich dessen zumindest hätte bewusst sein müssen.

Rechtsanwalt D. Görtz

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Produkthaftung – Produktsicherheit

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