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29. April 2021 - erstellt von Dominik Görtz
Änderungen im BGB – Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie

Am 11.6.2019 ist die EU-Richtlinie 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (nachfolgend: Digitale-Inhalte-RL bzw. DIRL) in Kraft getreten. Zur Umsetzung der Richtlinie und Transformation in nationales Recht sind umfangreiche Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (nachfolgend: BGB) vorgesehen. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (nachfolgend: BMJV) hat am 03.11.2020 einen entsprechenden Referentenentwurf für das Gesetz zur Umsetzung dieser Richtlinie veröffentlicht.

Die Digitale-Inhalte-RL gibt vor, dass die Regelungen bis zum 1.7.2021 in nationales Recht umzusetzen und auf Verträge, die ab dem 1.1.2022 geschlossen werden, anzuwenden ist. Der Referentenentwurf muss allerdings noch den Bundestag und Bundesrat passieren. Insoweit bleibt es abzuwarten, welche Änderungen am Gesetzentwurf noch vorgenommen werden.

Zwar gelten die neuen Vorschriften überwiegend für Geschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern (sog. Verbrauchsgüterkauf bzw. b2c-Geschäft), jedoch werden die Regelungen auch auf lange Sicht im Geschäftsverkehr unter Unternehmern (b2b-Geschäft) Bedeutung erlangen.

Wir haben die wichtigsten Änderungen für Sie zusammengefasst:

Zur Umsetzung der Richtlinie wird primär ein neuer Titel 2a zu Verbraucherverträgen über digitale Produkte mit den §§ 327 bis 327u im BGB eingefügt.

Anwendungsbereich der neuen gesetzlichen Bestimmungen

Gemäß des neu eingefügten § 327 Abs. 1 BGB-E finden die Regelungen Anwendung auf Verbraucherverträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (sog. digitale Produkte) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben. § 327 Abs. 2 BGB-E enthält die maßgeblichen Definitionen dieser neuen Begriffe. Danach sind digitale Inhalte Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Digitale Dienstleistungen hingegen sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen, oder die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen.
Gem. § 327 Abs. 3 BGB-E finden die Vorschriften der §§ 327 ff. BGB-E auch auf Verträge über die Bereitstellung digitaler Produkte Anwendung, bei denen der Verbraucher an Stelle oder neben der Zahlung eines Preises personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet.
Nach § 327 Abs. 5 BGB-E sind die neuen Regelungen auch auf Verträge über körperliche Datenträger anwendbar, welche nur als Träger digitaler Inhalte dienen.
Die Regelung in § 327 Abs. 6 BGB-E enthält bezüglich des Anwendungsbereichs bestimmte Ausnahmen. Unter anderem sind die Regelungen auf Behandlungsverträge, Verträge über Glücksspielleistungen, Verträge über Finanzdienstleistungen oder auf Verträge über die Bereitstellung von Software, für die der Verbraucher keinen Preis zahlt und die der Unternehmer im Rahmen einer freien und quelloffenen Lizenz anbietet, sofern die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten durch den Unternehmer ausschließlich zur Verbesserung der Sicherheit, der Kompatibilität oder der Interoperabilität der vom Unternehmer angebotenen Software verarbeitet werden, nicht anwendbar.

Gefahrübergang: Bereitstellung der digitalen Produkte

§ 327b BGB-E bestimmt den Zeitpunkt sowie die Art und Weise der Erfüllung der Leistungspflicht des Unternehmers zur Bereitstellung des digitalen Produkts.
Mit dem neu geschaffenen § 327b BGB-E wird Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie umgesetzt. Ein digitaler Inhalt ist dem Verbraucher danach „zur Verfügung gestellt“, wenn dem Verbraucher eine eigenständige Zugriffsmöglichkeit verschafft wurde. Im Gegensatz dazu bedeutet „zugänglich machen“ das Verschaffen einer entsprechenden Möglichkeit zur Nutzung eines Dienstes durch den Verbraucher unter fremder Kontrolle. Hierfür ist es nicht nötig, dass der Verbraucher von dieser Möglichkeit tatsächlich auch Gebrauch macht. Der Verbraucher über den Beginn der Nutzung selbst entscheiden können. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie erfüllt der Unternehmer die Verpflichtung bereits dann, wenn dem Verbraucher ohne weitere nötige Handlungen des Unternehmers der ungehinderte Zugriff ermöglicht wird.

Rechte des Käufers bei unterbliebener Bereitstellung

§ 327c BGB-E enthält die Rechte des Verbrauchers bei unterbliebener Bereitstellung des digitalen Produkts durch den Unternehmer. Danach kann der Käufer den Vertrag unter den Voraussetzungen des § 327c Abs. 1 BGB-E beenden bzw. nach § 327c Abs. 2 BGB-E Schadensersatz verlangen. § 327c Abs. 3 BGB-E bestimmt hingegen, unter welchen Voraussetzungen die Aufforderung des Verbrauchers nach Absatz 1 entbehrlich ist. Für die Rechtsfolgen verweist § 327c Abs. 4 BGB-E auf die §§ 327 o und p BGB-E. Mit diesen Vorschriften werden die Rechtsfolgen der Vertragsbeendigung und die weitere Nutzung nach Vertragsbeendigung geregelt. Absatz 6 und 7 enthalten besondere Vertragslösungsrechte, von dem der Verbraucher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 327c Abs. 1 S. 1 BGB-E Gebrauch machen kann.
Gewährleistung
§ 327d BGB-E enthält die Pflicht des Unternehmers, die Leistung ohne Produkt- und Rechtsmängel bereitzustellen. Nach § 327e BGB-E ist das Produkt frei von Produktmängeln, wenn es zur maßgeblichen Zeit den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Anforderungen an die Integration entspricht.

Grundsätzliche Aktualisierungspflicht

§ 327f Abs. 1 BGB-E sieht die Verpflichtung des Unternehmers vor, dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, bereitzustellen und den Verbraucher über eben solche Aktualisierungen zu informieren
Der maßgebliche Zeitraum, in dem der Unternehmer zur Bereitstellung der Aktualisierungen verpflichtet ist, wird in § 327f Abs. 1 S. 3 BGB-E konkretisiert. Im Fall einer fortlaufenden Bereitstellung ist der gesamten Bereitstellungszeitraum erfasst. Bei einmaliger Bereitstellung bezieht sich der maßgebliche Zeitraum auf den Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks der digitalen Produkte und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten konnte. Diese Leistungsverpflichtung kann daher auch über den Gewährleistungszeitraum hinausgehen.
Haftungsbegrenzungen bei Unterlassen der Aktualisierung durch den Verbraucher
§ 327f Abs. 2 BGB-E regelt die Auswirkungen einer vom Verbraucher nicht installierten Aktualisierung. Wenn der Verbraucher vertragsgemäß zur Verfügung gestellte Aktualisierungen nach Information und nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht installiert, haftet der Unternehmer nicht.

Gewährleistungsrechte des Käufers

Die Gewährleistungsrechte des Verbrauchers werden in den §§ 327i – 327m BGB-E geregelt. § 327i BGB-E listet die Ansprüche und Rechte des Verbrauchers bei Vorliegen eines Mangels auf:
– Anspruch auf Nacherfüllung (§ 327l)
– Recht zur Vertragsbeendigung (§ 327m Abs. 1, 2, 4, 5, § 327o)
– Recht zur Minderung (§ 327n)
– Anspruch auf Schadensersatz bzw. Aufwendungsersatz (§ 327m Abs. 3).
Wie im Kaufrecht besteht zunächst der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands. Im Gegensatz zum Kaufrecht steht dem Verbraucher allerdings kein Wahlrecht bezüglich der Art der Nacherfüllung zu. Wie der Unternehmer die Vertragsmäßigkeit herstellt, etwa durch Nachbesserung oder erneute Bereitstellung, wird grundsätzlich zunächst ihm überlassen. Die Nacherfüllung muss für den Verbraucher aber nachwievor unentgeltlich erfolgen.

Verjährung

Die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche beim digitalen Produkten beträgt nach § 327j Abs. 1 BGB-E grundsätzlich zwei Jahre. Eine Besonderheit enthält Absatz 3, wonach eine Ergänzung der Frist um zwei Monate für Fälle vorgesehen ist, in denen sich ein Mangel erstmals innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt hat.
Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der Bereitstellung. Bei fortlaufenden Bereitstellungen erst mit dem Ende des Bereitstellungszeitraums. Hinsichtlich der Aktualisierungspflicht bei einem Bereitstellungszeitraum, den der Verbraucher bzgl. des zeitlichen Umfangs nach § 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BGB-E erwarten konnte, ist zu beachten, dass der Beginn der Verjährung an das Ende des im Einzelfall zu bestimmenden Zeitraums der Aktualisierungspflicht gekoppelt wird, § 327j Abs. 2 S. 2 BGB-E.

Beweislastumkehr

Gem. § 327k Abs. 1 BGB-E sieht eine Beschränkung der Beweislastumkehr auf die Dauer von einem Jahr nach Bereitstellung vor. Im Fall einer fortlaufenden Bereitstellung gilt nach Absatz 2 die Beweislastumkehr für die gesamte
Dauer des Bereitstellungszeitraums.

§ 327k Abs. 3 und 4 BGB-E enthält Voraussetzungen, wonach die Beweislastumkehr bei Inkompatibilität der digitalen Umgebung des Verbrauchers oder aufgrund fehlender Mitwirkungshandlungen zur Ermittlung des Zeitpunkts der Mangelentstehung ausgeschlossen ist.

Besondere Bestimmungen bei Vertragsbeendigung

Gem. § 327p Abs. 1 BGB-E ist der Verbraucher verpflichtet, die weitere Nutzung des digitalen Produkts und dessen Weitergabe an Dritte zu unterlassen. Der Unternehmer darf die vom Verbraucher bereitgestellten Inhalte, die keine personenbezogenen Daten darstellen, grundsätzlich nicht weiter nutzen. Ausnahmen hierzu gelten, wenn die Inhalte außerhalb des Kontextes des vom Unternehmer bereitgestellten digitalen Produkts keinen Nutzen haben, ausschließlich mit der Nutzung des vom Unternehmer bereitgestellten digitalen Produkts durch den Verbraucher zusammenhängen, vom Unternehmer mit anderen Daten aggregiert wurden und nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand disaggregiert werden können oder vom Verbraucher gemeinsam mit anderen erzeugt wurden, sofern andere Verbraucher die Inhalte weiterhin nutzen können.
§ 327p Abs. 3 BGB-E regelt überdies den Umfang und die Modalitäten nach Vertragsbeendigung bezüglich der Übermittlung der vom Verbraucher im Rahmen der Nutzung des digitalen Produkts bereitgestellten und erstellten Inhalte, die keine personenbezogenen Daten sind bzw. enthalten.

Rückgriffsanspruch des Unternehmers

§§ 327t, 327u i.V.m. § 445c BGB-E enthalten besondere Bestimmungen für den Unternehmer- bzw. Lieferantenregress. Gem. § 327u BGB-E besteht ein Rückgriffsanspruch des Unternehmers bei seinem Vertragspartner im Fall einer Inanspruchnahme durch den Verbraucher. Die Vorschrift enthält auch Regelungen zur Verjährung und Beweislast.

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