Die Ausschlussfrist- oder Verfallsregelungen, die für die Geltendmachung der vertraglichen Ansprüche für die Parteien bestimmte Fristen vorsehen, sind in vielen Arbeitsverträgen und in beinahe allen Tarifverträgen enthalten. Dabei ist bei der Formulierung von arbeitsvertraglichen Verfallklauseln eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen, da neben den gesetzlichen Änderungen auch die einschlägige arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu den arbeitsvertraglichen bzw. tariflichen Verfallklauseln ständig konkretisiert wird.
Zum einen sind die arbeitsvertraglichen Verfallklausel nur dann wirksam, wenn den Parteien zur Geltendmachung der Ansprüche mindestens eine 3-monatige Frist eingeräumt wird, die erst mit Fälligkeit des Anspruchs und mit der Kenntnis aller anspruchsbegründenden Umstände zu laufen beginnt (BAG Urteil vom 27.01.2016 Az.: 5 AZR 277/14). Das Abstellen allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Beginn der Ausschlussfrist benachteiligt hingegen den Arbeitnehmer unangemessen mit der Folge, dass die gesamte Klausel als unwirksam gilt.
An die Geltendmachung der Ansprüche dürfen, jedenfalls gegenüber den Arbeitnehmern, auch keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden: So muss z.B. die Geltendmachung des Anspruchs durch den Arbeitnehmer regelmäßig in Textform möglich und ausreichend sein. D.h. die Verfallklauseln in nach dem 01.10.2016 abgeschlossenen Arbeitsverträgen, die weiterhin für die Geltendmachung der Ansprüche eine Schriftform vorsehen, sind gemäß § 309 Nr. 13 b) BGB insgesamt unwirksam, da bei der Auslegung der arbeitsvertraglichen Klauseln die geltungserhaltende Reduktion verboten ist(BAG Urteil vom 28.09.2017 Az.: 8 AZR 67/15; BAG Urteil vom 24.08.2016 Az.:5 AZR 703/15; BAG Urteil vom 17.03.2016 Az.: 8 AZR 665/14; BAG vom 13.12.2011 Az.: 3 AZR 791/09).
Von den Ausschlussklauseln können jedoch nicht alle Ansprüche erfasst werden. Die Vereinbarung der Ausschlussfristen für die Geltendmachung der Ansprüche aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Arbeitnehmers, der Ansprüche, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitgebers beruhen, oder der Ansprüche aufgrund einer Vorsatzhaftung ist wegen der Regelung in den §§ 309 Nr. 7 a, b bzw. § 202 BGB nicht wirksam. Dasselbe gilt gemäß § 3 MiLoG auch für die Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt. Korrekt formulierte Ausschlussfristklauseln müssen daher eine ausdrückliche Ausnahme für die Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt enthalten.
Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2018 seine Rechtsprechung im Hinblick auf eine „Mindest-lohn“-feste Formulierung von Ausschlussfristen nochmals konkretisiert. Es ist nicht ausreichend, in der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristklausel eine Ausnahme für die gesetzlichen Ansprüche vorzusehen, ohne diese gesetzlichen Ansprüche genau zu beschreiben. Die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristklauseln in den ab dem 01.01.2015 geschlossenen Arbeitsverträgen, die keine ausdrückliche Ausnahme für die Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt enthalten, sind nach der Rechtsprechung des BAG insgesamt unwirksam (BAG Urteil vom 24.08.2018 Az.: 5 AZR 703/15).
Sind die Ausschlussfristen hingegen tariflich geregelt, so ist nach der Rechtsprechung des BAG von der Teilunwirksamkeit der den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmenden tariflichen Verfallklausel auszugehen (BAG Urteil vom 20.06.2018 Az.: 5 AZR 377/17). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die übrigen Ansprüche ebenso auch die den Mindest-lohn übersteigenden Lohnansprüche von der tariflichen Verfallklausel erfasst sein können.
Die Ausschlussfristregelungen in den vor dem 01.01.2015 geschlossenen Arbeitsverträgen genießen einen „Vertrauensschutz“, d.h. diese Klauseln werden so interpretiert, dass diejenigen Ansprüche, die unmittelbar den Mindestlohn betreffen, nicht verfallen, da die insoweit getroffene Verfallfrist nicht gilt.
Die übrigen Ansprüche bleiben jedoch von der Wirkung der vertraglichen Ausschlussfrist erfasst, da regelmäßig davon auszugehen ist, dass die Vertragspartner keine Klausel aufstellen wollten, die gegen eine Verbotsnorm verstößt (so z.B. LAG Baden-Württemberg Urteil vom 06.04.2018 Az.: 11 Sa 40/17). Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese landesgerichtliche Rechtsprechung vom Bundesarbeitsgericht bestätigt wird. Die Revision gegen das Urteil des LAG Baden-Württemberg ist eingelegt.
Den Arbeitgebern wird vor diesem Hintergrund dringend empfohlen, die aktuell verwendeten Arbeitsverträge im Hinblick auf die Formulierung der Verfall- bzw. Ausschlussfristklauseln sorg-fältig zu überprüfen und ggfs. die Formulierungen dahingehend zu ergänzen, dass die Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt von der Geltung der Ausschlussfristen ausdrücklich ausgenommen sind.
Die nach dem 01.01.2015 abgeschlossenen Arbeitsverträge, die ggfs. noch alte Formulierungen enthalten, sollten im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern entsprechend geändert werden, um die Wirksamkeit der Verfallklauseln beizubehalten.
(RAin Natalia Dinnebier)