Das Oberverwaltungsgericht Münster hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Vereinbarkeit der LKW-Maut mit unionsrechtlichen Vorgaben vorgelegt. Insoweit wurde überprüft, ob die Berücksichtigung der Kosten für die Verkehrspolizei bei der Berechnung der Mautgebühren gegen die Richtlinie 1999/62/EG in der Fassung der Richtlinie 2006/38/EG (Wegekosten-Richtlinie) verstößt.
1. Feststellung überhöhter Mautgebühren für die Verkehrspolizei
Mit Urteil vom 28.10.2020 hat der EuGH festgestellt, dass die Mitgliedsstaaten bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die Infrastrukturkosten berücksichtigen dürfen. Hierzu gehören Baukosten, die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und den Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes. Die Kosten der Verkehrspolizei fallen nach den Ausführungen des Gerichts nicht unter den Begriff der Kosten für den Betrieb im Sinne des Art. 7 Abs. 9 der Wegekosten-Richtlinie und dürfen bei der Berechnung der Mautgebühren demnach keine Berücksichtigung finden.
Das Urteil führt in dem entschiedenen Fall im Ergebnis dazu, dass die Mautgebühren, die sich für den Kalkulationszeitraum von 2007 bis 2012 aus § 14 Absatz 3 Bundesfernstraßenmautgesetz ergeben und auf dem Gutachten „Aktualisierung der Wegekostenrechnung für die Bundesfernstraßen in Deutschland“ vom 30. November 2007 beruhen, zu hoch sind und nicht in dieser Form erhoben hätten werden dürfen. Aufgrund des Berechnungsfehlers ist die Maut um 3,8% bis 6% überhöht angesetzt worden.
Der EuGH entschied dazu, dass die Wirkung des Urteils zeitlich unbeschränkt ist und damit auch für die seit 2013 den Speditionen gegenüber berechneten Wegekosten bzw. Mautgebühren anzuwenden ist.
2. Erstattungsansprüche – auch der Frachtkunden gegenüber Speditionen
Das eröffnet zum einen Speditionen Möglichkeiten für Rückforderungsansprüche gegenüber Toll Collect bzw. dem Bund, aber auch gegenüber den Speditionen selbst durch deren Auftraggeber. Unmittelbar anspruchsberechtigt zur Rückforderung der Maut sind zunächst grundsätzlich solche Unternehmen, die als Transportunternehmen oder Spedition auch tatsächlich Mautschuldner sind und deshalb die LKW-Maut bezahlt haben.
3. Offene Fragen zum Anspruchsgrund und der Anspruchsdurchsetzung
Nach jedem Einzelfall wird anhand der zu Grunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen Frachtkunde und Spediteur zu prüfen sein, ob und welche Anspruchsgrundlagen bestehen und herangezogen werden können.
Des Weiteren ist der mögliche Einwand der Verjährung zu prüfen, da überhöhte Mautgebühren oftmals seit 2010 und schon früher bezahlt wurden. Für Schadensersatzansprüche ist anhand einer 10-Jahresfrist von einer Verjährung aller Ansprüche wegen Zahlungen bis 2010 für den 31.12.2021 auszugehen. Für sonstige Ansprüche, u. a. aus Bereicherung, wird man anhand der allgemeinen 3-jährigen Verjährungsfrist eine Verjährung aller erst ab dem 31.12.2023 anzunehmen haben und zwar auch für überhöhte Zahlungen vor 2011.
Görtz Legal
Wirtschaftsvertragsrecht